» Ein Lurch in Japan - 3. Woche
Samstag, 30.11., die Sonne scheint,
ab nach Yokohama, Fotos schießen und Aussicht geniessen. Die Parks
sind nett, die Aussichten von oben beeindruckend, die Straßen hässlich.
Noch 21 Tage.
Sonntag,
1.12., normalerweise Zeit für das erste Türchen. Ich hab nur
das Türchen zur Naßzelle, da ist aber keine Überraschung
drin. Es regnet mal wieder. Den ganzen Tag. Der Grisham ist durchgelesen
und die fehlende ALDI-Schoko-Milch-Riegel-Ration macht mir zu schaffen.
Da entdecke ich im Supermarkt KitKat-Erdbeer. Könnte eine neue Leidenschaft
werden, ganz lecker. Have a break, noch 20 Tage.
Montag, 2.12., immer noch
kein Türchen, statt dessen kämpfe ich beim Frühstück
mit diesem verdammten Labberbrötchen, das bei dem unscharfen Buttermesser,
was immer gereicht wird, sich einfach nicht aufschneiden lassen will. Der
Stecher von Yokohama. Wenn´s mal so wär.
Neue Fabrik, Kampf um den
Netzwerkanschluß. Eigentlich alles ganz einfach, die sind mit der
anderen Fabrik verknüpft, mein Email-Account sei erreichbar, alles
kein Problem - für Japaner schon. Noch nie ist mein Laptop so oft
neu gebootet worden. Dafür ein Highlight der besonderen Art: das erste
vernünftige Klopapier in Japan seit über 2 Wochen. Ich fühle
mich wie der Bär in der Charmin-Werbung. Noch 19 Tage.
Dienstag,
3.12, ein kleines Privatgespräch nach Europa am Morgen vertreibt Kummer
und Sorgen. Aber nicht sonderlich lange, denn was serviert man mir zum
Frühstück? ´ne Fischbox! Weg damit, aber dalli, oder
habt ihr mich je in den 2 Wochen morgens Fisch bestellen sehen?! Unfassbar.
Wieviel noch? Ach ja, 18 Tage.
Laptop
booten, ungläubige Blicke in den Geräte-Manager, die Karte funktioniert,
kein Ping kommt an und ich frage mich nach 1½ Stunden, wieviel Japaner
noch an meinem Läppi herumklicken werden, momentan sind es zwei. Dann
passiert es, sie tauschen den Hub aus, stellen auf Cable-Autodetecting
… ping! Der Japaner stößt einen Freudenschrei aus und klatscht
entzückt in die Hände. Jaja, ich freue mich auch.
Internet
geht hier jedoch nicht, nur das Mailing. Gut, dass Braunschweiger Zeitung
und Hamburger Abendblatt einen Email-Service haben, innerhalb weniger Minuten
nach Aufsetzen der Hilfe-Mail klackern in einem Mathematikinstitut der
Braunschweiger Uni die Tasten. Ergebnis der Aktion: 2 automatisch generierte
Mails der Onlinezeitungen mit Berichten über den Sieg des BTHC gegen
Harvestehude. Der sportlich-fröhliche BZ-Redaktuer überschlägt
sich und sogar das Abendblatt zollt Respekt. Klasse.
Mittwoch, 4.12., "kompromittierende
Bilder" von der letzten Absolventenfeier plus anschließendem Kneipenbesuch
im Oktober purzeln Bit für Bit (oder war es Feldschlößchen?) aus der Mailbox. Sie sollen am 19. 12. bei der EMV-Instituts-Weihnachtsfeier
herumgereicht werden. Da ich erst am 21. 12. um 20.10 Uhr Hamburger Boden
küssen darf, könnte es dann für einige sehr wenige Personen
Erklärungsnöte geben. Sorry, Chérie.
Der Mittag ist hart, denn
eine Kantine gibt es hier nicht. Man kann sich Lunchpakete kaufen - natürlich
fischhaltig - oder Instandsuppen nach 5-Minuten-Terrinenart zubereiten.
Sturmartig verlasse ich den Laden. Die Straßen sind voller Menschen,
alle auf den Weg in so eine Art Schnellrestaurants. Aber das schlimmste:
Wirklich alle 10 Meter stehen fliegende Händler auf der Straße
und verkaufen Fischboxen, igitt.
Das Hilfspaket aus Deutschland
ist angekommen, in tiefer Dankbarkeit registriere ich Kekse, ALDI-Schoko-Milch-Riegel,
Tokyo-Falk-Falt-Plan und Bücher. Im Fernsehen läuft Toyota Supercup,
Real Madrid gegen Olympia Paraguay, zum Glück im Zweikanalton mit
spanischem Kommentar. Zisch, prost. Noch 17 Tage.
Donnerstag,
5.12., die Mittagspause ist schon was besonderes in diesen riesigen Großraumbüros.
Big Ben ertönt, die Lichter gehen aus. Um 13 Uhr gehen sie wieder
an, es folgt Gymnastik für alle, danach eine Ansprache oder Gebet,
keine Ahnung, und danach setzen sich alle sofort hin und arbeiten weiter
an ihren kleinen PCs.
Auch
ein Erlebnis stellt die feierabendliche Heimfahrt dar. Im Bahnhof stehen
lauter uniformierte Japaner mit weißen Handschuhen herum, um den
Menschenstrom zu lenken. Die Bahn steht bereits da, proppevoll. Trotzdem
drängeln sich die Menschen rein, geht schon. Dort, wo sich die Türen
einfach aufgrund der hoffnungslosen Überfüllung nicht mehr schliessen
lassen, flitzen jeweils 2 Uniformträger herbei und stämmen sich
mit aller Kraft gegen die Menge, bis die Tür zukracht. An die Fensternscheiben
sind gedrückte Körper, Taschen und Gesichter erkennbar, der Rest
ist beschlagen und dunkel. Eine Ölsardine lebt dagegen in einem Königreich.
Noch 16 Tage.
Freitag, 6.12., Nikolausi.
Von wegen. Aber glücklicherweise gibt es ja die Lurch-Weihnachts-MD:
Internationale Stars wie Elvis, Bryan Adams, Boney M. oder Mahilia Jacksons
schmettern ihre Christmas-Botschaften, wobei der Höhepunkt natürlich
die deutschen Weihnachtsschlager sind. Die Flippers singen "o Tannebaum",
Claudia Jung, die Schlagergazelle der 90er, trällert zusammen mit
Sir Cliff Richard bilingual im 3/4-Takt und gemeinsam intonieren Freddy
Breck, Cindy & Bert sowie Peter Rubin "o du fröhliche". Freue
dich, o Christenheit.
Ich brauche Geld. Die Japaner
schleppen mich in Banken, die auf der Internetseite der Mastercard für
ATM nicht aufgeführt sind. Geht auch nicht. Also doch zu Yokohama
Station. Dort geht´s aber auch nicht. Ist jetzt etwa die Karte gesperrt? Ich soll´s mit verschieden hohen Beträgen versuchen. Spätestens
jetzt dürfte sie wertlos sein. Noch 2 Wochen, Flughafengebühren,
Ticketumbuchungskosten und eine Mörder-Hotelrechnung. Das kann ja
heiter werden.
Ich
kann´s nicht mehr hören, dieses unaufhörliche "o hayoo
gozai maaas!" in den Restaurants, ganz gleich, ob morgens, mittags, abends,
egal, ob die Bedienung einem zugewandt ist oder nicht, immer schreien sie
"o hayoo gozai maaas!" Ich verstehe mittlerweile den Hockeykameraden,
der einige Zeit in Südafrika verbracht hat - wartet ab Männer,
demnächst wird es "Schlitzi"-Sprüche geben, dagegen ist Harald
Schmidt gar nichts. Und zu Weihnachten wünsche ich mir Best-of-Schlitzi-Folgen
vom Frühstyxradio. "O hayoo gozai maaas!!!" Boh, noch 15 Tage.
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