» Sex in der Werbung

Werbung ist eine bedeutende Größe in unserem Leben geworden. Nicht nur, daß wir ihr in unserem Alltag fast überall ausgesetzt sind in Form von Anzeigen, Plakaten und Spots in Rundfunk und Fernsehen, sondern sie sichert auch viele Arbeitsplätze und ermöglicht die Finanzierung diverser Projekte von Sport- oder Konzertveranstaltungen bis hin zur Existenzsicherung privater, kommerzieller Sendeanstalten in der Rundfunk- und Fernsehlandschaft.

Die Werbeaufwendungen der deutschen Wirtschaft beliefen sich 1993 auf 48,8 Mrd Mark, die Tendenz ist weiterhin steigend. Über die Hälfte der ortsüblich in den Breitbandkabelnetzen empfangbaren TV-Programme werden allein über die Werbung finanziert. In den Einheitsbrei der Werbespots tauchen in den letzten Jahren zunehmend erotische Elemente auf.

Diese Arbeit befaßt sich deshalb mit den Zielen der Werbung und der Frage, wie diese Ziele am besten erreicht werden können. Dabei werden nicht nur (werbe-) psychologische Grundlagen angeschnitten sondern auch Beispiele anhand diverser TV-Spots aus dem In- und Ausland per VHS-Videocassette gegeben.

Das vordergründigste Ziel für den Einsatz von Werbung ist es, die jeweiligen Produkte besser zu verkaufen. Neben diesem Hauptziel gibt es alledings auch zahlreiche Nebenziele. Dazu gehören z.B. die Steigerung des Bekanntheitsgrades eines Firmen- oder Markennamens, der Aufbau oder die Pflege eines bestimmten Images oder die Dokumentation für Engagement in Umwelt- oder Sozialfragen. Werbung soll aber auch zeigen, daß die Firma auf einem bestimmten Gebiet eine spezifische Kompetenz hat, sie soll für Sympathie werben oder als Arbeitgeber für potentielle Mitarbeiter attraktiv erscheinen.

Werbung wirkt allerdings nur dann, wenn sie das Erleben und Verhalten von Menschen, also genau das, was die Psychologie untersucht, beeinflußt. Bei der Konzeption von Werbung geht also kreatives Vorgehen immer einher mit einer Analyse, wie die Maßnahme auf den Konsumenten wirkt. Zur wirksamen Gestaltung der Spots oder Anzeigen muß man sich demnach Klarheit über die Wirkzusammenhänge von Werbung verschaffen. Denn vor dem Kaufverhalten, dem Hauptziel der Werbung, stehen zuerst folgende Prozesse des Erlebens, auf der die Werbung direkt einwirken kann:

  • Werbung muß zunächst vom Empfänger beachtet werden
  • der Empfänger darf sie dann nicht wieder vergessen
  • er muß eine positive Einstellung zu dem zu kaufenden Produkt entwickeln
  • er muß anschließend genügend Energie aufbringen, um sich für das Produkt auch wirklich zu interessieren
  • er muß sich schließlich dazu entschließen, das Produkt zu kaufen
  • Ein Mittel, dies alles zu erreichen, ist die Kopplung von Gefühlen an das Produkt. Das Ansprechen von Emotionen, z.B. mit Hilfe von Erotik, ist umso bedeutender und erfolgsversprechender, je weniger die Kaufentscheidung von sachlichen Argumenten abhängt. Wenn also auf einem gesättigten Markt eine hohe technische Reife der Produkte die Differenzierung erschwert, weil sie mittlerweile alle auf einem so hohen technischen Stand sind, daß am eigenen Produkt nur noch minimale Qualitätsunterschiede herausgestellt werden können, stellt die emotionale Konditionierung die einzige mögliche Produktdifferenzierung dar. Ein Abwenden vom eigentlichen Werbegegenstand ist aber auch dann sinnvoll, wenn er nicht mehr erklärungsbedürftig ist oder Zielgruppen angesprochen werden sollen, in denen genuß- und erlebnisbetonte Werthaltungen vorherrschen.

    Zuallererst muß Werbung allerdings wahrgenommen werden. Unter Wahrnehmung versteht man das, was aus der Außenwelt durch unsere Sinnesorgane in die „innere Welt“ des Gehirns gelangt. Dabei dringen die Reize zunächst nicht in unser Bewußtsein ein, sondern nur, wenn das innere System durch äußere Einwirkungen so erschüttert wird, daß die innere Welt nicht mehr geeignet ist, sich in der unendlichen Komplexität zurechtzufinden. Dann verarbeitet das Gehirn äußere Reize, und zwar selektiv auf der Basis des vorhandenen Weltbildes. Beim Lesen dieser Arbeit beispielsweise treten die Informationen der Geschmacksnerven auf der Zunge und des Geruchssinns der Nase ebenso in den Hintergrund wie die Informationen sämtlicher Druck- und Temperatursensoren des Hautsystems. Wahrnehmung ist also ein selektiv kognitiver Prozeß.

    Es stellen sich demnach die Fragen, welche inhaltlich bedeutenden Gegenstände eher wahrgenommen werden und was für Konsequenzen sich für die Werbung ergeben. Es gibt Reize, die für sehr viele Menschen eine hohe Bedeutung haben und deshalb verstärkte Zuwendung und Aufmerksamkeit erfahren, z.B. Augen, Gesichter und sexuelle Reize. Darüber hinaus ist aber auch die genaue Kenntnis der Zielgruppe von Bedeutung, die mit Sex angesprochen werden soll und kann, denn die geweckten Emotionen dürfen nicht zu einer Ablehnung des Produkts aufgrund falscher Einstellung zur Sexualität führen.

    Die Gefahr bei der Verwendung erotischer Stilmittel ist allerdings das sogenannte „eye-catching“. Wenn der aufmerksamkeitserzeugende Reiz, die Erotik, nichts mit dem Werbeziel zu tun hat, wird der Reiz zwar wahrgenommen, nicht aber die eigentliche Werbebotschaft. Dies hat Folgen auf den sich anschließenden Lernprozeß. Es werden sich an erotische Frauen oder verführerische Männer erinnert, aber nicht an das Produkt oder den Markennamen. Der Grund, weshalb man sich trotzdem dem Sex als Mittel bedient, ist, daß die Erotik ein probates Mittel in der heutigen Zeit der Werbeüberflutungen ist, den Zuschauer am Bildschirm zu halten. Die ersten spontanen Anmutungen bestimmen nämlich immer, ob einer Werbung weitere Beachtung geschenkt wird oder der Zuschauer genervt wegzappt, also das Fernsehprogramm in den Werbepausen wechselt.

    Nachdem der erste Schritt zu einer höheren Werbewirkung, die Verbesserung der Wahrnehmbarkeit, abgehandelt ist, soll nun geklärt werden, wie in der Werbung vermittelte Inhalte besser gelernt und behalten werden können. Eine spezifische Lerntechnik, die darauf basiert, daß die Lernenden künstlich motiviert werden, ist das Lernen durch Erfolg und Mißerfolg (operante Konditionierung). Gelernt werden demnach Inhalte und Verhaltensweisen, denen eine angenehme Situation folgt oder die zur Auflösung einer unangenehmen Situation führen. Beispiel: Frauen haben (nur) dann Erfolg bei gut-aussehenden Männern, wenn sie bestimmte Pflegemittel vom Shampoo über Bodylotion bis hin zum richtigen Deodorant benutzen. Das dabei vermittelte Gefühl, sei es Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Geborgenheit oder ein Stärken des Selbstbewußtseins oder Wohlbefindens, aktiviert also die Zielperson über den Aufmerksamkeitsgrad hinaus. Erotische Darstellungen motivieren. Motivation ist dabei als ein Ergebnis einer Interaktion von Person und Situation zu verstehen. Es hat in der Vergangenheit viele Versuche gegeben, menschliche Motive zu sammeln und zu klassifizieren. Als Ergebnis dieser Forschungen läßt sich festhalten, daß Sexualität gleichgestellt werden kann mit Grundbedürfnissen wie Hunger und Durst. Es können auf Instinktprogramme zurückgegriffen werden, es werden angeborene Auslösemechanismen angesprochen. Je subtiler dabei vorgegangen wird, desto größer der Erfolg.

    Vielfach wird einen Unternehmen ein Stempel nach der Machart ihrer Werbung von den Kunden aufgedrückt. Diese Imagebildung ist besonders bei erotischer Werbung sehr intensiv: „Klug“ eingesetzter Sex hebt sich aus der ungeheuren grauen Masse aus nervender, lauter Werbung hervor. Dies gelingt insbesondere in Kombination mit Humor, Musik, Selbstbewußtsein in der Präsentation, also dem Mut zum Risiko, einen Spot mit Sex zu bringen, und teilweise auch einem gehörigen Schuß Selbstironie. Hierbei gilt es natürlich auch, die Moralvorstellungen derjenigen Leute zu berücksichtigen, die nicht angesprochen werden sollen. Denn Werbung darf nicht verletzen, weder in religiöser Weise noch in Scham und Ehrgefühl. Dabei ist interessant, wie unterschiedlich progressiv der Sex in der Werbung weltweit in TV- oder Kinospots eingesetzt wird. Während Amerika sehr prüde ist, stellen die skandinavischen Länder das genaue Gegenteil der Vereinigten Staaten dar. Dort sind ohnehin die Grenzen der Pornographie anders gesteckt als in den übrigen Ländern. Das recht eng geflochtene werberechtliche Netz in Deutschland gestattet, im Vergleich zum europäischen Ausland, weit weniger Aggressivität, auch im Hinblick auf vergleichende Elemente. Allerdings muß man, wie die Beispielsserie zeigt, nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, denn ab 23 Uhr, spätestens jedoch in den Nachtstunden, nimmt auch die deutsche TV-Werbung ein anderes Bild an.

    © A. Büchner, Auszug aus Hausarbeit im Seminar für angewandte Psychologie an der Technischen Universität
       Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 1997

    Literaturnachweis:
    * Werbepsychologie, Vorlesung an der TU Braunschweig
    * Psychologie in der Werbung, Lutz von Rosenstiel / Alexander Hirsch, Komar-Verlag, 1996